Greifbar nah

BHB Info 05/2011

Verbandszeitung des Bundesverband Deutscher Heimwerker-, Bau- und Gartenfachmärkte e.V. (BHB)

Immer wieder wird betont, dass die meisten Kaufentscheidungen erst am Point-of-Sale getroffen werden. Die Zahlen schwanken je nach Warengruppe und Erhebungsmethode zwischen 40 und 70 Prozent.
Die hohen Zahlen bedeuten nicht, dass die Shopper ihre Einkäufe „planlos" durchführen, sondern dass viele Shopper Geschäfte nur mit kategorienspezifischen Produktwünschen aufsuchen. Ein Kunde möchte z.B. Farbe kaufen, weiß aber noch nicht welche Marke, welche Menge und zu welchem Preis.
Die Grafik auf Seite 25 zeigt die Einschätzung der Shopper, denen das Einkaufen im LEH und im Baumarkt zur Qual der Wahl werden lässt - der POS als strategisches Aufgabenfeld für Hersteller und Händler. Denn oft entscheidet der Shopper erst am Regal, ob er Marke A oder Marke B kauft. Durch POS-Marketing versuchen die Beteiligten, den Absatzerfolg zu steigern und zu sichern. Doch welche Maßnahmen lenken die Aufmerksamkeit der Shopper auf ein bestimmtes Produkt? „Unseen is unsold" - es gilt, die Visibility für Kategorien und Produkte zu steigern.

Die hohe Kunst, Aufmerksamkeit zu erregen

Eine Maßnahme, um auf bestimmte Produkte mit Nachdruck aufmerksam zu machen, sind Regalstopper oder Videopräsenter. Letztere sprechen die Shopper nicht nur visuell, sondern auch akustisch an. Aber nicht in jeder Warengruppe möchte der Shopper mit bewegten Bildern und verbalen Hinweisen konfrontiert werden! Bei jedem POS-Tool gilt es zu unterscheiden,
ob es um konkrete Absatz- oder Imageförderung, Informationsservice oder Verbesserung der Ladenatmosphäre geht. Die POS-Tools beziehen sich auf Einzelprodukte (meist von Hersteller-
seite initiiert) oder auf die gesamte Warengruppe bzw. den Gesamtmarkt. So wird z.B. Hinter-
grundmusik oder die Anordnung der Warengruppen mit bestimmten Zielen eingesetzt.

Was können wir über Shopper erfahren?

Um die Effekte einzelner POS-Maßnahmen bewerten zu können, stellt sich die Frage, wie sich das Kaufverhalten der Shopper präzise und umfassend untersuchen lässt. Analog den POS-Tools beziehen sich die Methoden auf den Gesamtmarkt oder auf einzelne Regalabschnitte bzw. Einzelprodukte. Die entscheidenden Informationen für jede POS-Maßnahme sind:

Shopperverhalten analysieren

Zur Untersuchung des Shopperverhaltens auf Marktebene hilft eine Kundenlaufstudie im Sinne einer Total Store Analyse. Neben der Aufenthaltsdauer bei den verschiedenen Warengruppen ist die Reihenfolge der besuchten Warengruppen eine wichtige Information, um die Anordnung der Warengruppen im Gesamtmarkt zu optimieren. Frequenzbringer wie Glühbirnenwerden häufig im hinteren Bereich eines Marktes platziert. Dies ist sinnvoll und legitim, allerdings sollte das Führen des Shoppers nicht in ein Versteck-Spiel ausarten. Inn Idealfall wird die Beobachtung kombiniert mit einer Befragung, um Informationen zur Einkaufshäufigkeit im Markt und zum Planungsgrad einzelner Produkte zu ermitteln.
Auf der Detailebene einzelner Warengruppen gibt es ähnliche Regeln zu beachten: Ein visueller Anker am Gangeingang hilft, die Kategorie erkennbar zu machen. Oft wird hier die bekannteste Marke platziert. Bei der Platzierung einzelner Subkategorien sollten die Subkategorien mit dem höchsten Impulscharakter weiter vorne und die Plankauf-Artikel weiter hinten platziert werden.
Zur detaillierten Untersuchung des Shopperverhaltens unmittelbar am Regal kommen mehrere Methoden in Frage. Die ShopperBrille, eine innovative nutzerfreundliche Videobrille, zeichnet auf, was der Shopper „natürlich" sieht. Über ein automatisches Bilderkennungsverfahren lässt sich das biotische Such- und Orientierungsverhalten in einer großen Stichprobe kostengünstig untersuchen. Eye Tracking zeichnet sich durch hohen Detaillierungsgrad und viele Auswertungsmöglichkeiten aus - bei relativ hohen Kosten und niedriger Stichprobengröße. Gegen eine manuelle Erfassung durch einen Beobachter sprechen hohe Kosten und die selektive Wahrnehmung des Beobachters. Beim begleiteten Einkauf äußert der Shopper seine Gedanken zum Regal und zu den Produkten, was zwar wichtige Erkenntnisse liefert, aber weit von einer natürlichen Kaufsituation entfernt ist.

Kleine Box mit großer Leistung

Die vorgestellten Methoden weisen spezifische Nachteile auf, die den Einsatz nur bedingt rechtfertigen. Daher setzt die Forschungsgruppe g/d/p seit 2005 zudem die sogenannte Shopper Research Box ein, um einige Nachteile der vorgestellten Methoden aufzuheben. Die kleine Box, zigarettenschachtelgroß, wird unauffällig gegenüber dem zu beobachtenden Regal installiert und ermöglicht eine Aufzeichnung des natürlichen, unbeeinflussten Shopperverhaltens. Die Shopper werden als Silhouette registriert, um personenbezogene Rückschlüsse zu verhindern. So können Frequenz, Laufrichtung, Verweildauer, Suchzeiten sowie Zugriffsraten am Regal produktgenau ermittelt und anhand von farbig abgestuften Regalkarten sichtbar gemacht werden. Durch die automatische Datenerhebung und -auswertung werden alle Shopper vor dem Regal beobachtet, was für die Validität der Aussagen über das Informations- und Zugriffsverhalten am beobachteten Regal spricht.
So können Rückschlüsse über die Anordnung der einzelnen Subkategorien im Regal und über das Entscheidungsverhalten gezogen werden. Welche Produkte werden häufig gemeinsam gekauft, welche zuerst, welche zuletzt? Greifen Shopper immer innerhalb einer Marke zu oder werden verschiedene Marken miteinander verglichen?
Die Analyse des Shopperverhaltens und der Einfluss verschiedener POS-Tools gewinnen weiter an Bedeutung. Neue POS-"Tools, deren Wirkung auf den Shopper je nach Warengruppe und Situation durchaus unterschiedlich sein kann, werden forciert. Hochaktuell sind QR-Codes auf den Verpackungen. Eingescannt mit dem Smartphone können Produktinformationen, Anwendungsmöglichkeiten etc. abgerufen werden. Die Entwicklung steckt noch in den Anfängen, es wird sich zeigen, welche Informationen in welchen Warengruppen einen echten Mehrwert für den Shopper darstellen.

Der Autor Benedikt Bartmann ist als Consultant bei der Forschungsgruppe g/d/p im Bereich Shopper Research tätig. Er berät Hersteller und Händler bei der Optimierung des POS-Auftritts und berichtet zum Baumarktkongress über neue Trends am POS und im Shopper Marketing. Wann: 2. Dezember 2011, 11:00 Uhr.

 

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